Bilder sprechen uns emotional an. Sie werden schneller wahrgenommen und sie wirken viel schneller als Text. Und vor allem machen Sie ein Design interessant.
Soweit, so gut.
Die große Frage ist dann, was für Bildmotive genommen werden sollen.
Stehen analoge Produkte zur Verfügung, ergeben sich die Motive oft von selbst.
Wenn nicht, dann wird oft genug auf die Fotostockagenturen zurückgegriffen. Für wenig Geld, bekommt man hier gute Qualität, also professionelle Fotos ohne groß eingeschränkte Nutzungsrechte.
Der eigentliche Preis bei Bildern aus Stockagenturen ist die fehlende Individualität.
Kommt dann noch Zeitmangel bei der Suche und/oder fehlende Kreativität dazu, dann landet man schnell bei den typischen Bildmotiven.
Typische Bildmotive, die auf sehr sehr vielen Webseiten eingesetzt werden.
Man könnte auch sagen Bildmotive, mit denen man nicht viel falsch machen kann, weil sie irgendwie fast immer passen. Freundlich, nett, schick…
Oder kann man gerade deswegen viel falsch machen?
Gerade weil sie so oft passen und gerade weil sie auf so vielen Webseiten im Einsatz sind, sind sie „verbraucht“.
Es sind Klischeebilder! Man könnte fast meinen, fernab jeglicher Realität!
Sie sind langweilig und eigentlich nichtssagend. Sie sind unpersönlich und unauthentisch. Mit Eigenständigkeit und Wiedererkennungeffekt haben diese Bilder selten etwas zu tun.
Im Folgenden habe ich eine Liste meiner ganz persönlichen Highlights von Klischeebildern zusammengestellt, auf die Du in Deinen Screendesigns besser verzichten solltest:
Inhaltsverzeichnis
1. Ole – Der Business-Man
Typischer Fall: Ein „normales“ Unternehmen (irgendwas mit IT oder Finanzen oder Consulting oder…) braucht Bilder für die Webseite. Ab in die Suchformulare der Fotoagenturen und „Geschäftsmann“ oder „Businessman“ eingetippt.
Das Ergebnis? Zum Beispiel „Ole“.
Ole begegnet mir seit vielen Jahren regelmäßig. Nicht als Kunde, Geschäftspartner oder ähnliches, sondern auf Webseiten aller Arten:
Auf welchen dieser Webseiten sieht sein Bild authentisch aus? Eher sieht es beliebig aus.
Dieser adrette Herr im besten Alter ist sehr flexibel, universell, austauschbar eben.
Ole gibt es für viele Einsatzzwecke. Ole steht dabei nur exemplarisch für die Vielzahl an Klischee-Businessbildern, die auf so vielen Seiten im Einsatz sind.
Mehr Bilder von Ole gibt es bei übrigens iStock.
2. Das Team-Meeting
Thematisch passend zu Ole sind auch die Bilder mit „jungen gut aussehenden Menschen, die gut gelaunt zusammen vor dem Laptop sitzen und gemeinsam surfen oder ein entspanntes Meeting halten“. Wer kennt sie nicht, diese Meetings. Ich nicht…
3. Der Scribbler
An sich ein netter Effekt, mit dem sich durchaus eine Menge anstellen lässt:
Da zeichnet eine Person eine Grafik auf den Screen. Und wenn diese Grafik / Illustration auch noch thematisch passend, gar individuell ist, um so besser.
Aber erstens ist das Gezeichnete zu oft nicht einzigartig, sondern austauschbar. Und zweitens ist „der Scribbler“ inzwischen so häufig im Einsatz, dass die Wirkung schon verpufft.
Und ist es eigentlich schon einmal jemandem aufgefallen, dass der gescribbelte Text verkehrt herum stehen müsste?
4. Neulich im Call-Center
Bei Anruf Modell.
Eine nette junge Frau mit Headset. Da will man doch gleich einmal anrufen. Spätestens die Stimme am anderen Ende passt dann nicht mehr zum Bild.
Warum werden hier eigentlich (noch) so selten die echten Support-Mitarbeiter gezeigt? So hässlich kann gar keiner sein, dass er nicht von einem guten Fotografen adrett ins Bild gerückt werden könnte.
Und der Besucher und Anrufer hat das Gefühl mit „richtigen“ Menschen zu kommunzieren und nicht mit einer „falschen“ Webseite voller unglaubwürdiger Klischeebilder.
Aber soviel Gleichberechtigung muss sein: Die Dame oben auf den beiden Screenshots ist das weibliche „austauschbare Pendant“ zu Ole und heißt Anne Sofie. Und wie Ole ist sie an sich sehr vielseitig in ihren Tätigkeiten und in ihren Einsätzen auf unterschiedlichsten Webseiten.
Mehr Anne-Sofie-Bilder? Gibt es hier bei iStock.
5. Die glückliche Familie
Eine schrecklich nette Familie.
Natürlich sprechen uns Bilder glücklicher Menschen mehr an, als Bilder nicht glücklicher Menschen. Wenn aber Familienfotos präsentiert werden müssen, ist es zu oft ähnlich wie bei den Geschäftsleuten (siehe oben, Ole und Anne-Sofie):
Die Familien wirken zu glücklich, sehen zu sehr nach Modell aus. Es wirkt einfach zu gestellt.
Echte authentische Familienbilder wären häufig passender.
Vor einiger Zeit ging in den sozialen Medien die Sammlung eines Familienbildes um, dass in mehreren Werbekampagnen zum Einsatz kam und das Dilemma der austauschbaren Bilder demonstriert:
Was haben FDP, NPD und Quark gemeinsam? Das Familienbild. pic.twitter.com/Swk53rOBdb
— Sebastian Brux (@sebibrux) 27. August 2013
Diese Wiederholung an austauschbaren Bildern ist auch so ein Effekt der Fotoagenturen.
6. Landschaften
Blühende Landschaften machen sich immer gut. Bergige auch, wolkenverhangene auch usw.
Naturbilder werden seit jeder in Print- und Webdesigns gerne eingesetzt. Zum einen wirken sie immer nett und so ziemlich jeder fühlt sich angesprochen.
Die Aussagekraft? Vielleicht nicht gleich Null, aber die Tendenz geht dahin.
Statt Blümchenwiese oder Meer mit Strand haben die Landschaftsbilder in den letzten Jahren einen Hype erlebt. Vor allem auch bei Designern und ihren Portfolios.
Warum eigentlich? Klar, die eigene Arbeit lässt meistens nur Screenshots irgendwelcher Webseiten zu. Und Naturbilder sind ein schöner Gegensatz zum rein digitalen. Und nett sehen sie ja auch aus, aber mehr halt auch nicht.
7. Wir puzzeln gerne
Vermutlich gehört puzzeln noch immer zu den beliebtesten „Spielen“, die die Deutschen betreiben.
Aber Bilder nach dem Motto „Das fehlende Puzzleteil“ oder „Wir setzen das Puzzle zusammen“ sind schon sehr platt und einfallslos – selbst dann, wenn sie ausnahmsweise einmal zutreffen sollten.
Fazit
Klar, es mag immer wieder gute Gründe geben, genau eines dieses Klischeebilder auszuwählen und einzusetzen. Ausnahmen bestätigen eben die Regel.
In der Regel aber ist es besser auf diese austauschbaren, beliebigen Bilder zu verzichten.
Vielleicht kann man noch das Einsatzgebiet dieser austauschbaren Bilderwelten unterscheiden: Im Header oder einem großen Teaser als Erkennungsmerkmal sind solche Bilder deplatziert. Hier sind sie in meinen Augen Fluch, zwar kann sicher je nach Motiv eine hohe Emotionalisierung erreicht werden, aber eben keine hohe Wiedererkennung oder Differenzierung.
Anders sieht das bei den austauschbaren Bildern als Orientierungs-Elemente aus. Als kleine Teaser / Vorschaubilder für Unterseiten oder Artikel, als Ergänzung bei langem Fließtext haben sie durchaus ihre Berechtigung. Aber bitte nur dort!
Natürlich verkaufen hochwertige Bilder von freundlichen Menschen besser als schlechte Bilder von unfreundlichen Menschen. Wenn also gar nichts mehr geht, keine Alternative mehr zur Wahl steht, dann sind diese Klischeebilder oft die einzige Rettung. Aber erst dann, wenn wirklich nichts anderes geht…
Idee
Nimm Fotos von echten Mitarbeitern und Kunden! Engagiere einen guten Fotografen und zeige die echten Mitarbeiter in einer echten Arbeitssituation.
Und falls das (aus welchen Gründen auch immer) nicht möglich ist:
Gehe auf die Suche nach wirklich einmaligen Bilderwelten!
Gestalte eigene Bilderwelten. Neben den Motiven, kann auch die Bildbearbeitung dazu beitragen. Wie das geht? Erzähle ich später einmal in einem anderen Artikel.
Und eine Ergänzung noch, falls die Vermutung aufkommen sollte: Stockagenturen finde ich alles andere als schlecht. Es kommt halt eben auf die Motive und den individuellen Einsatz ein. Dann ist alles gut…
Wie geht es Dir mit diesen Klischeebildern? Stimmst Du mir zu oder habe ich gar welche vergessen?
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